Duns Scotus

Duns Scotus
Duns Scotus,
 
Johannes, scholastischer Philosoph und Theologe, * Duns (bei Berwick-upon-Tweed) um 1266, ✝ Köln 8. 11. 1308; Franziskaner, lehrte in Oxford, ab 1302 in Paris, ab 1307 in Köln.
 
Die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts betriebene Rezeption des Aristoteles und der arabischen Wissenschaft hatte zu Kompromisssystemen geführt, die sowohl philosophische Einwände wie den Protest religiöser Erneuerungsbewegungen hervorriefen. Duns Scotus versuchte, in scharfsinnigen Einzeluntersuchungen (daher sein Ehrentitel »doctor subtilis«) die Grenze zwischen Philosophie und Theologie neu zu ziehen und den Konflikt zwischen Wissen und Glauben durch Einschränkung sowohl der philosophischen Vernunft wie des Wissenschaftsanspruchs der Theologie zu entschärfen. Dabei kritisierte er das Vernunftvertrauen der Aristoteliker u. a. mit dem Argument, aus bloßen Vernunftbeweisen sei nicht unmittelbar Wirklichkeitserkenntnis zu gewinnen; er hielt die Unsterblichkeit der Seele daher für unbeweisbar; auch die traditionellen Gottesbeweise unterzog er einer beweistechnischen und erkenntniskritischen Analyse. Ohne die philosophische Theologie prinzipiell zu verwerfen, bereitete er die Metaphysikkritik Wilhelms von Ockham vor. Er prägte das spätmittelalterliche Philosophieren, indem er ihm die Richtung auf die Prüfung von Argumenten wies und die Harmonisierungsversuche des 13. Jahrhunderts (Thomas von Aquino, Heinrich von Gent) mit Misstrauen betrachtete.
 
Da er mit der Vorstellung brach, die Formen menschlichen Sprechens und Denkens enthielten unmittelbar das Sein, forderte er für wissenschaftlich verwertbare Begriffe einen eindeutig-einheitlichen Inhalt (These von der Univozität des Seins gegen die Analogien des Seins bei Thomas von Aquino); den Ursprung der allgemeinen Bestimmungen (»Universalien«) sah er im Denken und musste deren Realitätsbezug durch komplizierte Konstruktionen sichern. Er konnte die Individualität als positive Seinsvollkommenheit gegenüber der thomistischen Lehre von der Materie als dem Grund der Individuation aufwerten. Da er gleichzeitig erhöhte Ansprüche an wissenschaftliche Beweisbarkeit stellte und den Realitätsbegriff zugunsten des Sinnlich-Einzelnen verschob, entsprach sein Lehrgebäude (»Skotismus«) den Bedürfnissen der spätmittelalterlichen Welt und fand - trotz seiner sprichwörtlichen Verwickeltheit - an den Universitäten teilweise bis ins 17. Jahrhundert weite Verbreitung.
 
Ausgaben: Opera omnia, herausgegeben von L. Wadding, 26 Bände (Neuausgabe 1891-95); Opera omnia, herausgegeben von C. Balić, auf mehrere Bände berechnet (1950 folgende); Abhandlung über das erste Prinzip, lateinisch und deutsch, herausgegeben von W. Kluxen (1974).
 
 
É. Gilson: J. D. S. (a. d. Frz., 1959);
 W. Totok: Hb. der Gesch. der Philosophie, Bd. 2 (1973);
 C. Berubé: De l'homme à Dieu (Rom 1983);
 K. Flasch: Das philosoph. Denken im MA. (Neudr. 1995).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Duns Scotus und Wilhelm von Ockham: Über das Verhältnis von Theologie und Kirche
 

Universal-Lexikon. 2012.

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